Einer der häufigsten Abstillgründe in den ersten Wochen mit Baby sind Schmerzen beim Stillen. Jetzt mag die ein oder andere sagen: Da muss man eben durch, bei mir wurde es auch irgendwann besser. Wenn es jedoch so leicht wäre, würden vielen Frauen als letzten Ausweg nicht das Abstillen wählen. Denn der Leidensweg, der bis dahin hinter ihnen liegt, war oft sehr lang und schwer.
Heute möchte ich dich daher über das Thema Schmerzen beim Stillen informieren. Was gibt es für Schmerzen, woher kommen sie und was kannst du dagegen tun. Und vor allem: Ist es normal, dass das Stillen weh tut?
Wie viel Schmerzen beim Stillen sind „normal“?
„Stillen tut am Anfang immer weh“, ist eine Aussage, die viele werdende Mütter zu hören bekommen. Doch stimmt das?
Ich finde diese Frage schwer zu beantworten, denn viele Stillberaterinnen würden hier klar Nein sagen, während einige Stillende diese Erfahrung teilen und trotzdem eine normale Stillzeit hatten.
Eine anfängliche Empfindlichkeit und unangenehme, leichte Schmerzen, besonders bei den ersten Saugzügen, können in den ersten (zwei) Wochen normal sein. Jede Frau bringt hier ein unterschiedliches Schmerzempfinden und Anfälligkeit mit.
Was nicht „normal“ und immer abklärungsbedürftig ist:
- Der Schmerz ist schwer auszuhalten. (Treibt dir vielleicht sogar Tränen in die Augen.)
- Du empfindest Schmerzen über die ersten zwei Wochen hinaus oder sie treten nach einer schmerzfreien Stillzeit erstmals auf.
- Der Schmerz lässt nach den ersten Saugzügen nicht nach.
- Du hast Verletzungen an den Brustwarzen oder ein Wundsein.
Hole dir hier immer Hilfe von deiner Hebamme oder durch eine Stillberatung. Kurze Fragen kannst du mir als Stillberaterin auch immer kostenlos stellen.
Was ist die Schmerzursache beim Stillen?
Natürlich muss eine Ursache gefunden werden, um die Schmerzen beim Stillen richtig zu behandeln. Wenn der Grund deiner Schmerzen leicht ersichtlich ist, z. B. wie bei einem tieferen Riss in der Brustwarze, ist es wichtig sich fachlichen Rat zu suchen.
Deine Hebamme oder eine Stillberaterin sind hier die richtigen Anlaufstellen. Auch Gynäkolog*innen können weiterhelfen. Manchmal sind verschiedene Meinungen gefragt und nicht selten, braucht es Differenzialdiagnosen, um die Ursache auszumachen.
Wichtig ist daher eine genaue Anamnese, in der gefragt wird:
- Seit wann tritt der Schmerz auf?
- In welchem Moment tritt der Schmerz auf?
- Wo tritt er auf?
- Wie fühlt er sich an (z. B. brennend, stechend)?
- Wie stark ist der Schmerz (z. B. auf einer Skala von 1 bis 10)?
- Ob und wann lässt der Schmerz nach?
- Was hast du bisher gegen den Schmerz unternommen?
Zusätzlich erfrage ich bei einer Stillberatung mit meinem Fragebogen viele Details von der Schwangerschaft bis zum aktuellen Zeitpunkt. Ein Rundumblick hilft so manch versteckter Schmerzursache auf den Grund zu gehen.
Die häufigsten Gründe für Schmerzen beim Stillen
Etwa 80% aller Schmerzen beim Stillen entstehen aufgrund eines falschen Saugverhaltens oder Anlegens des Babys an der Brust. Häufig gelangt nicht genügend Brustwarzengewebe in den Mundraum des Babys. Daraus resultieren wunde oder stärker verletzte Brustwarzen. Es ist daher sehr wichtig, dass du selbst einmal schaust, ob alle Punkte des richtigen Anlegens an der Brust erfüllt sind.
Ist dies nicht der Fall, hole dir auf jeden Fall fachliche Hilfe und Unterstützung bei der Korrektur. Auch muss geschaut werden, wieso dein Baby das „richtige Saugen“ nicht schafft. Neben dem häufig sehr frühen Zufüttern mit der Flasche sind Auffälligkeiten im Mundraum deines Babys oder die Folgen einer schwierigen Geburt mit die Hauptursachen in meinen Stillberatungen.
Im Folgenden nun eine Liste mit den häufigsten Schmerzursachen beim Stillen, denen ich in der Praxis begegne.
Die häufigsten Ursachen im Überblick:
- inkorrektes Anlegen oder Saugmuster des Babys
- wunde und/ oder verletzte Brustwarzen
- Soor- Infektion
- Vasospasmus
- schmerzhafter Milchspendereflex
- Milchbläschen
- Milchstau oder Brustentzündung (Mastitis)
Neben diesen gibt es noch eine ganze Reihe weiterer, möglicher Ursachen. Natürlich erhebe ich mit der gesamten Liste keine Vollständigkeit und möchte anmerken, dass auch die Forschung in diesem Bereich nicht abgeschlossen ist.
- bakterielle Infektionen
- virale Infektionen (z. B. herpes simplex)
- Dermatosen (z. B. Ekzeme, Psoriasis)
- Verspannung der Brustmuskulatur
- (Postnatale) Depression
- funktionelle Schmerzen
Was du bei Schmerzen beim Stillen machen solltest
1. Suche die Schmerzursache
Auch wenn ich es bereits betont habe, muss die Ursachensuche der Schmerzen beim Stillen auf jeden Fall hier aufgelistet werden. Es bringt nichts nur Schritt 2, die Symptombehandlung, anzugehen, wenn der Auslöser nicht behoben wird.
2. Symptombehandlung
Du hast die Ursache deiner Schmerzen beim Stillen entdeckt? Super, die halbe Miete ist geschafft. Das Problem ist jedoch erst einmal nicht aus der Welt.
Eine wunde oder stärker verletzte Brustwarze ist nicht verheilt, weil das Anlegen korrigiert wurde. Eine Pilzinfektion verschwindet nicht ohne eine Behandlung mit entsprechenden Cremes. Es braucht also immer eine Symptombehandlung, damit die entstandenen Folgen des Stillproblems enden.
Je nach Ursache deines Schmerzes, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Am häufigsten treffe ich in Stilberatungen auf äußerliche Verletzungen oder dem Wundsein der Brustwarze(n). Auf jede der genannten Schmerzursachen gehe ich in einem separaten Artikel noch einmal genau ein, den Link findest du jeweils in der Ursachenliste.
3. Geduld und Durchhaltevermögen
Auch wenn die Aussage, man muss die Schmerzen beim Stillen einfach aushalten, so nicht stimmt: Die Behandlung kann Geduld und Durchhaltevermögen erfordern und Rückschläge können passieren. Es gibt keine besondere Auszeichnung für Mütter, die ihre Schmerzen besonders lange ausgehalten haben. Jede sollte für sich die Grenze des Aushaltbaren ziehen und diese auch nicht überschreiten. Natürlich ist Muttermilch die natürliche Ernährungsform eines Babys, dennoch sollte diese nicht auf Kosten einer guten Mutter- Kind- Bindung aufgrund von (psychischen) Stress durchgesetzt werden.
Quellen:
- Gresens, Regine, Intuitives Stillen, 1. Aufl., München 2016.
- Deutscher Hebammenverband (Hrsg.), Praxisbuch: Besondere Stillsituationen, 1. Aufl., Berlin 2012.
- Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (Hrsg.), Stillen & Stillprobleme, 4. Aufl., Bonn 2010.
- https://www.still-lexikon.de/schmerzen-beim-stillen (18.02.2022)
- Academy of Breastfeeding Medicine Protocol Committee, ABM Klinisches Protokoll Nr. 26: Anhaltende Schmerzen beim Stillen, 2. Aufl. 2016.
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