„Na, schläft dein Kind schon durch?“ Schon mal die Frage gestellt bekommen?
Ein Baby, was nachts durchschläft bzw. sich nachts nicht meldet, scheint in vielen Köpfen ein Ideal zu sein, das so schnell wie möglich erreicht werden muss. Dabei ist es vor allem kulturabhängig, ab wann eine Gesellschaft das Durchschlafen von Kindern erwartet.
Von wenigen Monaten bis 6 Jahren gehen die Erwartungen dort weit auseinander. Aber ab wann kann ein Baby durchschlafen und schläfst du selbst eigentlich durch? Werfen wir mal einen realistischen Blick auf das Thema.
Was bedeutet Durchschlafen?
In der Literatur wird das Durchschlafen von Babys verschieden beschrieben. Mal heißt es, ein Baby, das 6 Stunden am Stück schläft, ohne sich zu melden, schläft durch. Mal lese ich, dass ein durchgehender Nachtschlaft von 0-5 Uhr bereits als Durchschlafen gilt.
Fakt ist, keiner „schläft durch“. Babys, Kinder, Erwachsene, wir alle haben verschiedene Schlafphasen in der Nacht und werden oft kurz wach, ohne dass wir uns am nächsten Morgen daran erinnern.
Das Durchschlafen ist also eher ein Weiterschlafen nach diesem kurzen nächtlichen Aufwachen.
Uns Erwachsenen gelingt das meist sehr gut. Babys brauchen dabei Hilfe von uns. Manchen fällt das Weiterschlafen leichter, andere müssen sich immer wieder vergewissern, dass jemand für sie da ist. Ein Schlafphasenwechsel liegt bei Säuglingen bei etwa 30-45min und bietet daher immer das Potential des Aufwachens des Babys.
Ab wann kann ein Kind/ Baby durchschlafen?
Gesellschaftlich wird in Deutschland erwartet, dass ein Baby mit etwa 6 Monaten dazu in der Lage ist, nachts durchzuschlafen. In wenigen Fällen kann dies auch zutreffen, es bleibt aber eher eine Ausnahme. So ist für viele Kinder im ersten Lebensjahr und darüber hinaus die nächtliche Nahrungsaufnahme ein wichtiger Bestandteil für ihre (Gehirn)Entwicklung.
Ein Entwöhnen der Nachtflasche(n) oder des nächtlichen Stillens hängt zudem nicht direkt mit einem besseren Nachtschlaf zusammen und setzt voraus, dass ein Kind seinen Kalorienbedarf gut tagsüber decken kann.
Herbert Renz-Polster schreibt in seinem Artikel „Schlafprobleme aus Sicht der Evolution“:
"Zeichnet man den Säuglingsschlaf mit der Videokamera auf, so werden drei Monate alte Kinder im Schnitt nachts immerhin zwei- bis dreimal wach. Mit neun Monaten wachen die Kleinen sogar fünfmal pro Nacht auf. Und mit zwölf Monaten sind sie wieder dort, wo sie mit drei Monaten waren: bei zwei bis drei Mal pro Nacht. Selbst im Kleinkindalter ist der Nachtschlaf noch keineswegs von Dauer: Über ein Drittel der Kinder meldet sich nachts noch mit zweieinhalb Jahren regelmäßig."
Die meisten Kinder können mit etwa 3 Jahren, spätestens aber mit 6 Jahren durchschlafen. Durchschlafen ist somit ein Entwicklungsschritt, den wir durch gute Schlafbedingungen unterstützen, aber nicht erzwingen können.
Und wie vieles im Leben mit kleinen Kindern kann auch das Durchschlafen phasenweise auftreten und sich schnell wieder ändern.
Das Ziel von Schlafberatungen sollte also nicht sein „Das Kind soll so schnell wie möglich zuverlässig durchschlafen“, sondern „Wir schaffen anhand der gegebenen Möglichkeiten einen gesunden und erholsamen Schlaf für alle Familienmitglieder.“
Gibt es bei euch Probleme mit dem Ein- und/oder Durchschlafen, die du gerne geklärt haben möchtest? Oder hast du vielleicht nur ein paar Fragen zum Thema Schlaf. Melde dich gerne hier bei mir. Für interessierte Eltern, die gerne mehr Wissen wollen, empfehle ich das Buch „Schlaf gut, Baby„* vom Kinderarzt Herbert Renz- Polster und Nora Imlau.